Bei sonnigem Wetter und inmitten eines farbenprächtigen Herbstwaldes unternahmen 37 Interessierte eine eindrucksvolle Wanderung durch das Hungener Waldwildnisgebiet. Veranstaltet wurde die Exkursion von den Hungener NABU-Gruppen, organisiert vom NABU Horlofftal. Begrüßt wurden die Teilnehmenden von Vorstandsmitglied Wolfgang Macht, bevor Dr. Markus Dietz, Geschäftsführer des Instituts für Tierökologie und Naturbildung und einer der Initiatoren des rund 1200 Hektar großen Waldschutzgebietes, die Führung übernahm. Bei dem besuchten Gebiet handelt es sich um das zweitgrößte Waldnaturschutzgebiet Hessens nach dem Nationalpark Kellerwald.
Das Gebiet vereint Teilflächen des Hessischen Staatswaldes, des Hungener Stadtwaldes sowie Flächen des Grafen zu Solms-Laubach. Der Wald wird sich zukünftig ohne forstwirtschaftliche Maßnahmen frei entwickeln. Da unsere Wirtschaftswälder in der Regel der Holzerzeugung dienen und die Bäume im Vergleich zu ihrem natürlichen Lebensalter früh gefällt werden, fehlen die biologisch wichtigen Reifephasen der Wälder. Gerade in Wäldern, die älter als 150 Jahre alt sind, beginnt sich die biologische Vielfalt in besonderem Maße zu entwickeln. Buchenwaldökosysteme können wir nur in Europa und ganz besonders in Deutschland schützen, da die Leitart Rotbuche nur in Europa vorkommt. „So wie Brasilien den Amazonasregenwald bewahren muss, tragen auch wir Verantwortung für unsere Buchenwälder“, betonte Dietz. Der zukünftige Verzicht auf die Holznutzung und Befahrung des Waldes fördert viele der Ökosystemleistungen des Waldes, die für uns Menschen in der heutigen Zeit immer wichtiger werden. Wälder speichern Wasser, sorgen für Wasserrückhaltung bei Starkregen und Kühlen die Landschaft in den heißen Sommern. „Naturwälder speichern viel mehr Wasser und federn Trockenperioden als auch Starkregenereignisse viel besser ab. Sie sind Verbündete und gleichzeitig Gefährdete in Zeiten der Klimaveränderung“, so Dr. Dietz. Im Naturwald werden die Bäume älter, das Holz bleibt beim Zerfall des Baumes im natürlichen Kreislauf und die dadurch immer weiter ansteigende Vielfalt der Organismen und ebenso der genetischen Diversität erhöht die Widerstandskraft des Wald und macht ihn stabiler bei zukünftigen Veränderungen des Klimas.
Dietz führte aus, dass der Wald aber nicht nur sich selber überlassen wird, sondern er muss auch weiter betreut werden. So werden entlang der öffentlichen Straßen und Waldränder zur Wohnbebauung weiterhin Verkehrssicherungsmaßnahmen durchgeführt, die Waldwege werden weiterhin gepflegt und zusammen mit dem Forstamt Wettenberg und der Oberen Naturschutzbehörde werden Wasserrückhaltemaßnahmen umgesetzt, Tümpel und Waldteiche angelegt. Die wiederum erhöhen die Lebensraumeignung für Amphibien, Vögel und Fledermäuse. Für den Hungener Teil des Waldwildnisgebietes wird bis 2028 zusammen mit den ortsansässigen Jägern ein Konzept zur zukünftigen Jagd im Wildnisgebiet entwickelt. „Jagd muss weiterhin stattfinden“, so Dietz, sie soll lediglich die natürlichen Entwicklung der Wälder noch stärker beachten.
Die vielen Teilnehmenden der Exkursion waren von den schönen Waldbildern sehr beeindruckt und stellten ebenso viele interessierte Fragen. Den Abschluss bildete ein Blick in eine schon vor mehr als 20 Jahren stillgelegte Waldparzelle mit fast 200jährigen mächtigen Buchen und Eichen. Die besondere Atmosphäre dieses Ortes lies jeden gewahr werden, wohin sich der Wald in diesem großen Schutzgebiet entwickeln wird.

Fotos und Text: NABU Horlofftal

